21. Februar 2024

„Träumereien“ im Scheidungsverfahren

Pablo

Artikel 1/2024

Manche Vorstellungen zum Scheidungsverfahren sind unrealistisch oder idealisiert, stellen also nichts anderes als „Träumereien“ dar. Um einen Realitätscheck zu machen, haben wir uns mit dem Fachanwalt für Familien- und Erbrecht Matthias Amberg aus Aschaffenburg getroffen.

 

Manchmal erwarten Menschen, dass eine Scheidung ohne Komplikationen in wenigen Wochen abläuft. Ist das realistisch?

Viele Mandanten vergessen, dass eine Scheidung grundsätzlich erst dann beantragt werden kann, wenn das sogenannte Trennungsjahr abgelaufen ist. Dadurch soll sichergestellt werden, dass eine Scheidung der Ehe nicht spontan erfolgt, sondern gut überlegt ist. Einvernehmliche Ehescheidungen können jedoch nach Ablauf des Trennungsjahres in der Regel binnen weniger Monate vollzogen werden, strittige Scheidungen hingegen können ohne weiteres mehrere Jahre andauern.

 

Wie lange dauerte bei Ihnen das längste Scheidungsverfahren?

Das längste Scheidungsverfahren in meiner Kanzlei hat über 6 Jahre gedauert. Hintergrund dafür war allerdings, dass unsere Mandantin einen erheblichen Trennungsunterhaltsanspruch gehabt hat, der mit der Scheidung verloren gegangen wäre. Daran sieht man, dass ein kurzes Scheidungsverfahren oft auch erhebliche Nachteile für einen der Ehegatten haben kann. Wichtig ist es daher, dass der Anwalt mit seinem Mandanten ausführlich die Sach- und Rechtslage erörtert, um für ihn das Scheidungsverfahren optimal zu gestalten.

 

Manchmal wird erwartet, dass die Trennung ohne Konflikte und Streitigkeiten abläuft. Ist das realistisch?

Gerade weil Konflikte in Scheidungsfällen nicht ungewöhnlich sind, ist es wichtig, realistische Erwartungen zu haben. Aus diesem Grund sind für mich als Anwalt regelmäßig drei Fragen relevant: Die erste Frage ist, was mein Mandant – er steht in meiner Kanzlei im Mittelpunkt - will. Die zweite Frage ist, wie die Rechtslage ist. Die dritte Frage ist, was der andere Ehepartner davon hält. Denn unsere Aufgabe besteht gerade nicht darin, Konflikte herbeizuführen, sondern einvernehmliche Regelungen unter Wahrung der Interessen des Mandanten zu finden. Gerade wenn man jedoch vergleichsweise Regelungen anstrebt, muss man vor Abschluss des Vergleiches wissen, worauf man verzichtet. Darüber seinen Mandanten aufzuklären, ist einer der wichtigsten Aufgabe des Rechtsanwaltes.

 

Ist es möglich als Ehepaar einen gemeinsamen Anwalt für das Scheidungsverfahren zu beauftragen?

Einer der größten Irrtümer im Scheidungsrecht besteht darin, dass es einen sogenannten „gemeinsamen Rechtsanwalt“ gibt. Richtig ist vielmehr, dass eine Beratung beider Eheleute rechtlich nicht möglich ist und vor allem nicht erlaubt ist. Dies wäre Parteiverrat und für den Anwalt strafbar. Ein Rechtsanwalt ist von Gesetzes wegen verpflichtet, Interessen zu vertreten. Aus diesem Grunde darf ein Rechtsanwalt weder Informationen an den anderen Ehepartner preisgeben oder den anderen Ehepartner auch nur mitberaten.

 

In meinem über 20-jährigen Berufsleben habe ich gelernt, dass jeder Scheidungsfall einzigartig ist. Die Unterstützung eines erfahrenen Familienanwalts kann helfen, die rechtlichen Aspekte zu verstehen und realistische Erwartungen zu entwickeln. So werden aus Träumereien keine Albträume.

Dateien zum Download: