04. Juni 2018

Das Patchwork-Testament - wer erbt was?

Artikel RA Amberg

Mami, Papi & Ich

„Hallo, Herr Amberg, kennen Sie mich noch?“ Auf dem Weg zum Gericht begegnete mir eine ehemalige Mandantin, mit 2 kleinen Kindern an der Hand. „Zuletzt hatten Sie doch nur ein Kind, wer ist denn das zweite Kind?“ fragte ich verwundert. „Das ist Max, mein Stiefsohn; ich habe wieder geheiratet und mein Mann hat Max mit in die Ehe gebracht“ erzählte mir meine ehemalige Mandantin. „Aber Sie werden uns alle kennenlernen, ich habe nämlich mit meiner neuen Familie einen Termin in Ihrer Kanzlei vereinbart. Wir müssen uns von Ihnen dringend erbrechtlich beraten lassen, vor allem was mit meinem Haus im Fall meines Todes passiert. Wir sind ja jetzt eine Patchwork-Familie!“

 

Patchwork-Familie

Von einer Patchwork-Familie spricht man, wenn aus anderen Beziehungen Kinder mit in die Verbindung gebracht wurden. Die Eltern leben also mit eigenen - leiblichen - Kindern, aber auch mit Stiefkindern zusammen. In Patchwork-Familien gibt es viele Konstellationen: Stiefvaterfamilien, Stiefmutterfamilien, Familien mit gemeinsamen Kindern und Stiefkindern, solche, in denen die Kinder dauerhaft leben und solche, bei denen die Kinder nur zeitweise zu Besuch sind. Familienforscher unterscheiden über 70 Zusammensetzungsmöglichkeiten. Gemeinsam ist ihnen allen, dass es nicht nur erbrechtlich kompliziert werden kann.

 

Gesetzliche Erbfolge

Die gesetzliche Erbfolge bei Patchwork-Familien führt oft zu ungewollten Ergebnissen. So würde bei meiner ehemaligen Mandantin, sollte sie vorversterben, der Ehemann die Hälfte ihres Vermögens neben dem leiblichen Kind der Mandantin erben; das Stiefkind Max würde, da es mit der Mandantin nicht verwandt ist, leer ausgehen. Stirbt nun der Ehemann, wäre sein gesetzlicher Alleinerbe nur sein eigenes leibliches Kind Max; das leibliche Kind der Mandantin würde nicht Erbe werden, da hier wiederum kein Verwandtschaftsverhältnis zum Ehemann besteht.

Und noch etwas ist für Patchwork-Familien wichtig: Wenn sie minderjährige Kinder aus früheren Beziehungen haben, können im Fall eines frühzeitigen Todes auch die Ex-Partner an das Vermögen der neuen Familie gelangen. Da unsere Mandantin zum Beispiel Alleineigentümerin eines Hauses ist, in dem die neue Familie lebt, erbt ihr minderjähriges Kind zusammen mit ihrem zweiten Ehemann das Haus. Da das Kind noch minderjährig ist, übt das Sorgerecht plötzlich nur noch ihr Ex-Mann aus, nicht der Stiefvater. Der leibliche Vater erhält damit dann auch die Sorge über dessen Erbe. Nachdem eine Erbengemeinschaft vorliegt, kann der Ex-Ehemann jederzeit eine Zwangsversteigerung über das Haus erwirken, so dass der neue Ehemann und die Kinder ihr Zuhause verlieren.

 

Testament

Um diese Gefahren zu vermeiden, ist es ratsam ein Testament zu machen. In diesem Testament kann die gesetzliche Erbfolge abgeändert werden, indem zum Beispiel der Ehegatte als Vorerbe, die jeweiligen leiblichen Kinder als Nacherben eingesetzt werden. Eine andere Möglichkeit besteht darin, nur die eigenen Kinder als Erben einzusetzen, den Ehegatten allerdings über Vermächtnisse abzusichern. Sofern die Kinder noch minderjährig sind, kann der überlebende Ehegatte zum Beispiel als Testamentsvollstrecker eingesetzt werden; dadurch wird verhindert, dass der Ex-Partner über das Sorgerecht das Erbe verwaltet. Wie immer bei erbrechtlichen Gestaltungen, können diese allerdings nicht standardmäßig erstellt werden, sondern müssen auf den eigenen Fall individuell abgestimmt und maßgeschneidert sein. Dies vor allem bei Patchwork-Familien, für die erst Recht gilt: „jede Familie ist eigen und besonders die eigene!“

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