29. April 2022

Die Kindesanhörung am Familiengericht - muss das sein?

Mami, Papi & Ich

RA Amberg

„Aber Herr Amberg, Marie ist doch erst 5 Jahre alt; was will denn die Richterin nur von ihr?“ Ich vertrat meine Mandantin in einem Sorgerecht- und in einem Umgangsverfahren; in beiden Verfahren hatte das Gericht nun einen Termin bestimmt, in dem sich die Richterin mit Marie  unterhalten wollte.

 

Kindschaftsverfahren

In Sorge- und Umgangsverfahren, den sog. Kindschaftsverfahren ist der wesentliche Maßstab das Kindeswohlinteresse. Die Herausstellung des Kindeswohls durch den Gesetzgeber verdeutlicht, dass die Interessen des Kindes im Familienrecht generellen Vorrang vor den Interessen der anderen Beteiligten genießen. Das Kind ist kein Objekt des Verfahrens, sondern Subjekt des Verfahrens. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass man nicht nur über das Kind, sondern mit dem Kind spricht. Um dies zu gewährleisten, ist gem. § 159 FamFG die sog. Kindesanhörung vorgeschrieben. Unterbleibt die  Kindesanhörung, stellt dies grundsätzlich einen schweren Verfahrensfehler dar.

 

Ab welchem Alter ?

Nach der Rechtsprechung sind Kinder grundsätzlich unabhängig von ihrem Alter anzuhören. Allerdings kann das Gericht unter anderem dann von einer persönlichen Anhörung des Kindes Abstand nehmen, wenn das Kind  offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Deswegen werden in der Praxis Kinder unter drei Jahren selten von dem Gericht angehört. Eine Ausnahme gilt jedoch für Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung. In diesen Verfahren muss nach einer Gesetzesänderung  jedes Kind gleich welchen Alters- also sogar ein Säugling vom Gericht „angehört“ werden.  

 

Was passiert bei der Kindesanhörung ?

An der Anhörung selbst nehmen weder die Eltern, noch die Rechtsanwälte teil. Ist ein Verfahrensbeistand bestellt worden, begleitet der Verfahrensbeistand das Kind zum Richter und bleibt bei der Anhörung an seiner Seite.  Das Gespräch dient dazu, dass der Richter sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind machen kann und insbesondere in kindgerechter Form herausfindet, was dem Kind wichtig ist. Wichtig ist jedoch, dass der Richter dem Kind klar macht, dass es sich nicht für oder gegen einen Elternteil entscheiden muss. Entschieden wird der Rechtsstreit nämlich nicht vom Kind, sondern vom Gericht, wobei der Kindeswille ein Kriterium unter vielen Anderen ist.

 

Auch Richterinnen tragen Jeans

Kurz nach der Kindesanhörung traf ich die Mandantin und Marie zufällig beim Einkaufen. Die Mandantin war sichtlich erleichtert und Marie erzählte begeistert: „Ich durfte mein  Lieblingsstofftier mitnehmen und als die Richterin ihre Robe ausgezogen hatte, hatte sie darunter sogar eine ganz normale Jeans an. Ich habe vom Kindergarten, meinen Hobbys und davon erzählt, was mir bei dem Papa und der Mama jeweils am besten gefällt  - und schon waren wir fertig. Die Richterin war voll nett!“

Genau so wie Marie es beschrieben hat, soll die Kindesanhörung aussehen: das Kind anhören und vor allem dem Kind zuhören – nirgends ist dies so wichtig wie im Familienrecht!

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