02. März 2023

Die Mandantin, die zu spät kam – Abholzeiten im Kindergarten -

Mami, Papi & Ich

RA Amberg

„Wo bleibt nur meine Mandantin“ fragte ich mich verwundert, als schon meine Mitarbeiterin in mein Büro kam. „Frau Müller hat gerade angerufen und mitgeteilt, dass sie sich leider um mindestens eine Stunde verspätet. Zum Glück ist Ihr anschließender Gerichtstermin wegen Erkrankung des Richters ausgefallen, Chef.“ Als dann meine Mandantin, die in einem Kindergarten arbeitete, endlich kam, entschuldigte sie sich und erklärte: „Allmählich werde ich wirklich sauer.  Eine Mutter holt ständig ihr Kind zu spät ab. Das kann ja ein- oder zweimal passieren, aber inzwischen passiert das ständig. Konsequenz ist, dass einer von uns immer länger bleiben muss - wir können die Kinder ja nicht alleine lassen. Jetzt habe ich das Kind sogar zur Mutter nach Hause gefahren, die ich ganz gemütlich beim Kaffee trinken mit einer Freundin angetroffen habe. Müssen wir Erzieher uns das wirklich gefallen lassen?“

 

Aufsichtspflicht

Die Aufsichtspflicht ist Teil der sog. Personensorge, die grundsätzlich bei den Eltern liegt. Melden diese ihr Kind im Kindergarten an, so übernimmt der Träger des Kindergartens für die gebuchten Kindergartenzeiten auch die Aufsichtspflicht über das Kind. Da er die Aufsichtspflicht nicht selbst ausüben kann, überträgt er sie auf die Kindergartenleitung und das übrige Personal. Holen die Eltern ihr Kind nicht oder nicht rechtzeitig ab, verbleibt trotzdem die Aufsichtspflicht bei dem Kindergarten. Die Erzieherin können also nicht einfach nach Hause gehen, sondern müssen letztendlich Überstunden machen und das Kind beaufsichtigen, bis es abgeholt wird. Alles andere würde eine Verletzung der Aufsichtspflicht darstellen, die sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche und arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können.

 

Vertragsverletzung

Wenn ich mein Kind im Kindergarten anmelde, buche ich für das Kind Betreuungszeiten, die sogenannten Buchungszeiten. Nach den Buchungszeiten bestimmt sich auch, wie viele Kinder in dem Kindergarten aufgenommen werden können, da für jedes Kind eine bestimmte Anzahl von Personal eingeplant wird. Wird ein Kind regelmäßig erheblich zu früh oder zu spät abgeholt, stellt dies eine Verletzung des Kindergartenvertrages dar.

 

Abmahnung und Kündigung

Holen Eltern ihre Kinder regelmäßig zu spät ab, sollte mit ihnen das Gespräch gesucht werden, um ihnen klar zu machen, dass sie eine Vertragsverletzung begehen. Sind die Eltern uneinsichtig und verändern sie ihr Verhalten nicht, sind die Eltern schriftlich abzumahnen, um zu verdeutlichen, dass sie im Wiederholungsfalle mit rechtlichen Konsequenzen rechnen müssen. Führt die Abmahnung immer noch nicht dazu, dass die Eltern sich vertragstreu verhalten, kann der Kindergartenträger den Betreuungsvertrag kündigen.

 

Nachdem ich meiner Mandantin diese Rechtslage erklärt hatte, wirkte sie erleichtert und teilte mit, dass sie morgen gleich die Kindergartenleitung informieren wird. „Und jetzt zu meinem Problem, Herr Amberg. Ich will quasi meinem Ehemann auch „kündigen“, „abgemahnt“ habe ich ihn schon“. Das war die perfekte Überleitung zu dem eigentlichen Grund, warum die Mandantin einen Termin bei mir als Fachanwalt für Familienrecht vereinbart hat. Im Familienrecht nennt man nämlich die Abmahnung „Trennung“ und die Kündigung „Scheidung“.

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