Artikel RA Amberg
Mami, Papi & Ich
„Herr Amberg, Sie müssen uns helfen“ Vor mir saß mein Mandant, dessen Mutter pflegebedürftig war und nun in ein Seniorenstift umziehen sollte. „Muß ich jetzt die Kosten dafür bezahlen, meine Mutter hat nur ein kleine Rente“ machte sich unser Mandant Sorgen.
1. Sozialhilferegress
Wenn die Eltern bedürftig werden, also ihre eigenen Kosten nicht mehr durch eigenes Vermögen oder eigenes Einkommen abdecken können, übernimmt, in der Regel auf Antrag, der Sozialhilfeträger die nicht gedeckten Kosten. Nach § 1601 ff. BGB haben jedoch auch die Eltern gegenüber ihren Kindern einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch. Dieser Unterhaltsanspruch geht in diesen Fällen auf die Sozialhilfeträger über. Das bedeutet, dass das Sozialamt den Anspruch gegenüber den Kindern geltend macht.
2. Leistungsfähigkeit
Wie bei jedem Unterhaltsanspruch muss jedoch besonders im Rahmen des Elternunterhaltes die Leistungsfähigkeit der Kinder überprüft werden. Dies ist besonders wichtig, da die Kinder, die im Rahmen des Elternunterhaltes herangezogen werden, oft nicht nur ihren Eltern unterhaltsverpflichtet sind, sondern auch ihre eigenen Kinder finanziell versorgen und letztendlich auch für das eigene Alter vorsorgen müssen (sog. Sandwichgeneration). Aus diesem Grund ist beim Elternunterhalt der notwendige Selbstbehalt, der zum 01.01.2020 auf 2.000,00 € erhöht wurde, am höchsten. Nur dann, wenn den Kindern nach Abzug ihrer Verbindlichkeiten und Belastungen ein höheres Einkommen als 2.000,00 € verbleibt, kommt eine Leistungsfähigkeit aus dem Einkommen überhaupt in Betracht. Allerdings bestimmt sich die Leistungsfähigkeit der Kinder nicht nur nach dem eigenen Einkommen, sondern auch nach dem Vermögen. Welche Freibeträge gelten, wird von den Sozialämtern sehr unterschiedlich ausgelegt mit der Konsequenz, dass teilweise zu geringe Freibeträge in Abzug gebracht werden. Unabhängig davon, dass bestimmte Vermögenspositionen, wie beispielsweise die selbst genutzte Immobilie, ohnehin nicht zu Unterhaltszwecken eingesetzt werden muss, ist darüber hinaus ein persönlicher Schonvermögensbetrag festzustellen, der individuell nach dem jeweiligen Einkommen und den zurückgelegten Berufsjahren ermittelt werden muss.
3. Angehörigen-Entlastungsgesetz
Bisher hat das Sozialamt regelmäßig den Unterhaltsanspruch gegen die Kinder geltend gemacht. So erhielten im Jahr 2018 die Sozialämter 77,5 Millionen Euro von den Kindern der pflegebedürftigen Eltern. Dies wird sich nun ab dem 01.01.2020 entscheidend verändern. Ab diesem Zeitpunkt gilt das Angehörigen-Entlastungsgesetz, nach dem die Sozialämter nur noch Kinder in Anspruch nehmen, deren Jahresbruttoeinkommen höher als 100.000,00 € ist. Wenn ein Pflegebedürftiger mehrere Kinder hat, dann zählt für die Einkommensgrenze nicht das Gesamteinkommen aller Kinder. Nur das Kind, das im Jahr auf mehr als 100.000,00 € kommt, darf zur Kasse gebeten werden.
4. Wer zahlt dann?
Nachdem ich meinem Mandanten die neue Gesetzeslage erklärt hatte, amtete er erleichtert auf. „Dann besteht für mich ja keine Gefahr, ich verdiene keine 100.000,00 €. Aber wer zahlt dann die Kosten?“ Die Antwort darauf ist relativ einfach: Wir alle werden noch mehr als bisher die Kosten über erhöhte Beiträge zur Sozialversicherung und letztendlich über unsere Steuern zahlen; und da kommt einiges auf uns zu, allein 2018 gaben die Ämter insgesamt vier Milliarden Euro für ungedeckte Pflegeheimkosten aus – und nachdem wir alle älter, aber nicht unbedingt gesünder werden, werden diese Kosten zukünftig noch höher ausfallen!
Matthias Amberg hat in Würzburg studiert und wurde 1999 zur Anwaltschaft zugelassen. Sein Anspruch war schon immer, über die rein juristische Perspektive hinauszublicken. Ihm geht es darum, Menschen in emotionalen Ausnahmesituationen zu begleiten und kreative Lösungen zu entwickeln, die auf die individuellen Bedürfnisse der Mandanten maßgeschneidert sind.
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