14. Mai 2021

Familien- und Erbrecht in Coronazeiten - ein bisschen Entschleunigung wäre nicht schlecht -

Artikel Pablo 02/2021

Für viele scheint die Zeit aufgrund der Corona-Einschränkungen still zu stehen; Home-Office, Ausgangsbeschränkungen und kaum noch Freizeitangebote führen zwangsläufig zu einer Entschleunigung. Wie sieht das aber im Familien- und Erbrecht aus? Zu diesem Thema haben wir uns mit Rechtsanwalt Matthias Amberg, Fachanwalt für Familien- und Erbrecht getroffen.

 

Welche Auswirkungen der Corona-Pandemie erleben Sie in Ihrer Kanzlei?

Unsere Fallzahlen steigen kontinuierlich an, der Beratungsbedarf wird in unseren Rechtsgebieten immer größer. Die Sorge an Covid 19 zu erkranken, führt dazu, dass immer mehr Menschen sich im Erbrecht mit dem Thema der Patientenverfügung und des Testaments beschäftigen. Im Familienrecht hat die zwangsweise Beschränkung auf den eigenen Haushalt definitiv zu mehr Trennungen mit all ihren Problemen wie häusliche Gewalt und Kindeswohlgefährdung geführt. 

 

Hat die Rechtsprechung sich seit der Corona-Pandemie verändert?

Die Rechtsprechung muss sich immer wieder auf gesellschaftliche Veränderungen einlassen; ganz vorne an der Front steht dabei das Familienrecht. War es zum Beispiel vor Corona selbstverständlich, dass der umgangsberechtigte Elternteil alleine darüber entschied, wohin er mit seinem Kind während des Ferienumgangs verreiste, ist eine Urlaubsreise nun eine Angelegenheit von wesentlicher Bedeutung mit der Konsequenz, dass beide Elternteile sich einigen müssen, wenn eine Urlaubsreise mit dem Kind ansteht. Im Unterhaltsrecht war vor Corona Kurzarbeit grundsätzlich kein Abänderungsgrund, mittlerweile ist Kurzarbeit aufgrund der Dauer der Corona-Pandemie durchaus Anlass, Unterhaltsansprüche neu zu berechnen.

 

Hat sich die Bedeutung von Vorsorgevollmachten seit Corona verändert?

Bereits vor der Corona-Pandemie war es unerlässlich, für den Fall vorzusorgen, dass ich selbst nicht mehr handlungsfähig bin. Dies gilt insbesondere für die  Patientenverfügung, mit der ich bestimme, wie ich sterben möchte. Denn diese Entscheidung kann und darf kein Dritter an meiner Stelle treffen, wie der Bundesgerichtshof zu Recht festgestellt hat. Aufgrund der Corona-Pandemie haben sich in der Tat immer mehr Menschen mit diesem wichtigen Thema beschäftigt, so dass die Zahl derer, die Vorsorgevollmachten haben, zum Glück immer weiter zunimmt.

 

Habe ich schlechtere Chancen, eine Corona-Erkrankung zu überleben, wenn ich eine Patientenverfügung habe?

Es gibt nicht die „eine“ Patientenverfügung, vielmehr muss es sich immer um eine individuelle Regelung handeln, die so unterschiedlich ist, wie wir Menschen sind. Aus diesem Grund kann ich auch nur davor warnen, einfach irgendwelche Muster aus dem Internet zu verwenden. Im Rahmen der sog. negativen Patientenverfügung regele ich aber in der Tat, dass lebensverlängernde Maßnahmen, zu der auch die künstliche Beatmung gehört, eingestellt werden. Dies sollte allerdings nur dann gelten, wenn eine sogenannte infauste Prognose vorliegt, also keine Chance mehr auf Heilung besteht und „mein Geist“ tot ist. Wenn dies rechtlich sauber formuliert ist, wofür wir Fachanwälte für Erbrecht die notwendige Expertise haben, bekomme ich selbstverständlich auch mit einer Patientenverfügung die bestmögliche medizinische Betreuung,

 

Rechnen Sie damit, dass es bei Ihnen bald einmal wieder ruhiger zugeht?

Ehrlich gesagt nicht. Ich hoffe zwar, dass wir  aufgrund neuer Behandlungsmethoden und der Impfmöglichkeiten bald die schlimmste Zeit der Corona-Pandemie hinter uns haben. Aber gerade die Impfung von Kindern wird zu neuen Fragen führen, die mit erheblichem Streitpotential verbunden sind. Genau das ist jedoch der Reiz am Familien- und Erbrecht - für mich auch nach über 20 Jahren Berufserfahrung die spannendsten Rechtsgebiete, die es gibt.

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