01. Oktober 2021

Ich bin doch seine Ehefrau! Vertretung bei der Gesundheitssorge

Mami, Papi & Ich

RA Amberg

Meine Mandantin saß vor mir und erzählte, dass ihr Ehemann im Krankenhaus lag. Als sie sich nach seinem Gesundheitszustand erkundigen wollte, erlebte sie eine große Überraschung. Der behandelnde Arzt berief sich auf seine ärztliche Schweigepflicht und erteilte ihr keine Auskunft. “Das kann doch nicht richtig sein, ich bin doch immerhin seine Ehefrau!“.

 

Weitverbreiteter Irrtum

Die große Mehrheit der Bevölkerung geht ganz selbstverständlich davon aus, dass im Notfall medizinische Entscheidungen für einen Ehepartner getroffen werden können und mit der Heirat für die Ehegatten die ärztliche Schweigepflicht nicht mehr gilt. Hierbei handelt es sich aber um einen weitverbreiteten Irrtum. Nach der geltenden Rechtslage können und dürfen Ehegatten für ihren nicht mehr selbst handlungsfähigen Partner keine Entscheidungen der Gesundheitssorge treffen, selbst wenn die Lage noch so akut ist. Auch gilt die ärztliche Schweigepflicht trotz Eheschließung weiter.

 

Generalvollmacht

Um im Notfall für seinen Ehegatten handeln zu können und von den behandelnden Ärzten Auskunft zu erhalten, können sich die Ehegatten jedoch eine Vollmacht für Gesundheitsangelegenheiten erteilen. Dadurch kann auch die ansonsten unter Umständen erforderlich werdende Bestellung eines Betreuers vermieden werden. Es macht Sinn, diese Vollmacht nicht nur für Gesundheitsangelegenheiten, sondern auch für Vermögensangelegenheiten zu erteilen (sog. Generalvollmacht). Zu beachten ist allerdings, dass die Generalvollmacht ab dem Moment gilt, in dem sie unterschrieben worden ist. Sie birgt daher auch eine große Missbrauchsgefahr in sich, weswegen sie ohne vorherige rechtliche Beratung nicht standardmäßig erteilt werden sollte.

 

Gesetzesreform

Der Gesetzgeber hat reagiert und nun in § 1358 BGB neue Fassung gesetzlich eine Vertretung der Ehegatten untereinander in Gesundheitsangelegenheiten vorgesehen. Das Gesetz soll voraussichtlich zum 01.01.2023 in Kraft treten. Allerdings birgt das Gesetz auch Gefahren, zum Beispiel für Ehen, die sich in der Krise befinden. Zwar soll das Vertretungsrecht nicht gelten, wenn Ehegatten getrennt leben. Ob Ehegatten getrennt leben, soll der Arzt feststellen. Nachdem wir Familienrechtler wissen, wie oft vor Gericht genau über diese Frage gestritten wird, die Frage der Trennung eine durchaus schwierige rechtliche Frage sein kann, werden hier sicherlich vielfältige Probleme auftauchen. Ob der Ehegatte, der im Falle der Trennung mit Ansprüchen auf Unterhalt, Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich  konfrontiert wird und bei Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen sein Ehegattenerbrecht verliert, der richtige Ansprechpartner für Entscheidungen über Operationen ist, die Leben oder Tod bedeuten können, muss bezweifelt werden. Da ist eine Vollmachtserteilung sicherlich der bessere Lösungsansatz; denn die Vollmacht kann zumindest jederzeit widerrufen werden.

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