04. März 2019

„Ich will nicht mehr in die Schule“ - die Schulpflicht und das Jugendamt -

Artikel RA Amberg

Mami, Papi & Ich

„Hallo, Herr Amberg“. Vor mir stand eine ehemalige Mandantin mit ihrer 7-jährigen Tochter Sarah. „Stellen Sie sich vor, Sarah will plötzlich einfach nicht mehr in die Schule gehen. Wir haben nur noch Probleme. Mir wurde bereits ein Bußgeld angedroht und jetzt hat sich auch noch das Jugendamt angekündigt. Ich habe solch eine Angst, dass mir Sarah weggenommen wird!“

 

1.   Schulpflicht

      Unter Schulpflicht versteht man die gesetzliche Verpflichtung für Kinder ab einem bestimmten Alter, eine Schule zu besuchen. Solange die Kinder minderjährig sind, muss dies durch die Sorgerechtsinhaber, also meist die Eltern umgesetzt werden. Die Schulpflicht ist durch den Besuch einer (inländischen) deutschen Schule zu erfüllen, die entweder öffentliche Schule oder eine staatlich genehmigte private Ersatzschule ist. Die Schulpflicht beinhaltet also nicht die Pflicht zum Lernen, sondern die Pflicht ein Schulgebäude zum Lernen aufzusuchen. Ziel der Schulpflicht ist es aber auch, Parallelgesellschaften zu vermeiden und eine Integration von Kindern in die Gesellschaft zu gewährleisten. Aus diesem Grund ist auch eine Heimbeschulung durch die Eltern selbst grundsätzlich in Deutschland nicht erlaubt. Neben Deutschland existiert diese Schulpflicht nur noch in Schweden, der Volksrepublik China und Nordkorea. Verstoßen die Eltern gegen die Schulpflicht, können sie sich strafbar machen, das heißt es drohen erhebliche Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafen. Auch gegen die Schüler selbst können  sogenannte Erziehungsmittel oder Ordnungsmaßnahmen bis hin zum exklusiven „Schulweg-Service“ der Polizei verhängt werden.

 

2.   Kindeswohlgefährdung

      Wird der Schulbesuch vehement verweigert, ist in der Tat das Jugendamt verpflichtet, den Sachverhalt zu überprüfen. So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschieden, dass Eltern in Deutschland kein Recht haben, ihre Kinder dem Schulsystem zu entziehen und ausschließlich zu Hause zu unterrichten. In diesem Zusammenhang wurde es ausdrücklich für gerechtfertigt gehalten, dass die Kinder den Eltern zeitweilig entzogen und in einem Kinderheim untergebracht worden sind. Hintergrund dafür war allerdings auch, dass die Eltern im Endeffekt jede Zusammenarbeit mit dem Jugendamt ebenso verweigerten, wie die Durchführung eines schulpsychologischen Gutachtens, um insbesondere den Wissenstand der Kinder festzustellen. Dieses Verhalten der Eltern kann durchaus als strategisch ungeschickt bezeichnet werden, denn für Eingriffe in die elterliche Sorge reicht es gerade nicht allein aus, dass jeglicher Schulbesuch strikt abgelehnt wird. Ein Eingriff ist vielmehr auch in diesen Fällen nur dann möglich, wenn eine akute Kindeswohlgefährdung i.S.d. § 1666 I BGB vorliegt, also das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes konkret gefährdet ist. Diese Kindewohlgefährdung muss im Endeffekt durch das Gericht mit Hilfe von schulpsychologischen Gutachten usw. festgestellt werden.

 

3.   Jugendamt als Vermittler

      Oft wird vergessen, dass das Jugendamt nicht nur Eingriffsbehörde ist, sondern auch eine beratende Funktion hat. So konnte das Jugendamt in unserem aktuellen Fall herausfinden, dass Sarah von ihren Mitschülern gemobbt wird, weswegen sie zur Schulverweigerin geworden ist. Durch Hilfe des Jugendamtes konnten Gespräche zwischen Schule, Eltern und Mitschülern vermittelt werden und so das Problem gelöst werden.  Mittlerweile geht Sarah wieder gerne in die Schule.

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