01. April 2019

„Ich will sofort die Scheidung!“ - die Härtescheidung -

Artikel RA Amberg

Mami, Papi & Ich

Vor mir saß meine Mandantin und erzählte völlig aufgelöst, dass ihr Ehemann sich von ihr getrennt hat, weil er sich in ihre beste Freundin verliebt hat. „Ich will sofort die Scheidung, Herr Amberg! Es kann doch nicht sein, dass ich mit diesem Typen noch länger verheiratet bin“

 

Trennungsjahr

Eine Ehe wird geschieden, wenn eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden kann. Diese Annahme setzt allerdings auch voraus, dass den Ehegatten  ausreichend Zeit eingeräumt wird, über das endgültige Scheitern der Beziehung Gewissheit zu erlangen. Aus diesem Grunde müssen die Ehegatten in aller Regel das sogenannte Trennungsjahr einhalten. Erst danach kann die Scheidung bei dem zuständigen Familiengericht beantragt werden.

 

Härtescheidung

In Ausnahmefällen kann die Ehescheidung auch unmittelbar nach der Trennung beantragt werden. Voraussetzung dafür ist, dass ein sogenannter Härtefall vorliegt. Entscheidend für die Frage, ob ein Härtefall vorliegt, ist aber nicht die persönliche – subjektive - Vorstellung  des scheidungswilligen Ehegatten. Maßstab ist vielmehr, ob eine besonnene dritte Person bei einer Abwägung aller Umstände das Verhalten des anderen Ehegatten ebenfalls als eine unzumutbare Belastung empfinden würde, die ein Abwarten des Trennungsjahres unerträglich erscheinen lässt. Die Rechtsprechung ist bei der Annahme eines Härtefalles äußerst zurückhaltend, hat jedoch zum Beispiel bei Drogenmissbrauch in Gegenwart der Kinder, Morddrohungen gegenüber dem Ehegatten, Gewalt in der Ehe oder Vergewaltigung des Ehegatten eine Härtefallentscheidung zugelassen. Allein ein Ehebruch wird von der Rechtsprechung allerdings nicht mehr ohne Vorliegen weiterer Gründe als Härtegrund angesehen.

 

Taktische Überlegung

Selbst wenn ein Härtegrund vorliegt, sollte gut überlegt werden, ob tatsächlich sofort die Scheidung eingereicht wird. Die Zustellung des Scheidungsantrages beendet nämlich die Ehezeit, für die der Versorgungsausgleich errechnet wird. Auch die Dauer des nachehelichen Ehegattenunterhaltes wird durch die Ehezeit, die auch unterhaltsrechtlich erst mit Zustellung des Scheidungsantrages beendet wird, beeinflusst. Insgesamt ist es daher für den sozial schwächeren Ehegatten oft wirtschaftlich vorteilhaft, möglichst lange mit der Stellung des Scheidungsantrages abzuwarten.

 

Wir haben es nicht eilig

Nachdem der Mandantin die Sach- und Rechtslage erklärt worden ist, wurden die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten überprüft. Es wurde festgestellt, dass der Ehemann ein hohes Einkommen mit erheblichen betrieblichen Altersversorgungen erzielte, während unsere Mandantin nur über ein geringfügiges Einkommen verfügte. „Dann habe ich also sowohl einen höheren Versorgungsausgleich zu erwarten und kann auch länger Ehegattenunterhaltsansprüche verlangen, wenn ich nicht sofort die Scheidung einreiche?“, fragte mich die Mandantin. Nachdem ich dies bejahte, hellte sich die Miene der Mandantin etwas auf: „Für mich ist Geld zwar nicht alles, aber für meinen Ex-Mann schon. Ich werde die Scheidung nicht einreichen. Jetzt wird er mich nie mehr los!“  Ich antwortete darauf, dass dies zwar auch nicht möglich ist, gleichzeitig vereinbarten wir jedoch einen weiteren Besprechungstermin. Als wir feststellten, dass aufgrund zahlreicher anderer Gerichts- und Besprechungstermine der nächste Besprechungstermin erst in 3 Wochen möglich ist, sagte die Mandantin nur: „Kein Problem, Herr Amberg, wir haben es ja mit der Scheidung nicht eilig“ und grinste mich an.

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