02. April 2020

Impfpflicht – mein Kind darf nicht in den Kindergarten!

Artikel RA Amberg

Mami, Papi & Ich

„Stellen Sie sich vor, meine Lisa wird vom Kindergarten nicht aufgenommen – und nur wegen meinem Ex!“ Vor mir saß meine Mandantin, die ich vor kurzem in ihrem Scheidungsverfahren vertreten hatte. Aus ihrer mittlerweile geschiedenen Ehe war die 3 jährige Lisa hervorgegangen, die bei meiner Mandantin lebte. „Ich wollte Lisa gegen Masern impfen lassen, der Kindesvater verweigert aber die Zustimmung; und jetzt darf Lisa nicht in den Kindergarten. Eigentlich hat mein Ex-Mann kein Problem mit dem Impfen. Er ärgert sich aber, dass er mir Unterhalt zahlen muss. Er will, dass ich auf meinen Unterhalt verzichte, erst dann will er die Zustimmung zur Impfung erteilen; das kann doch alles nicht wahr sein!“

 

Impfpflicht

Seit dem 1.3.2020 gilt bundesweit das Masernschutzgesetz. Danach müssen Eltern bei Neueintritt in Kita oder Schule nachweisen, dass ihr Kind geimpft ist. Für Kinder, die schon in einer Einrichtung oder in der Schule sind, kann der Impfnachweis bis spätestens 31.07.2021 nachgereicht werden. Diese Impfpflicht erstreckt sich zwar nur auf Masern, allerdings stehen aktuell nur sogenannte Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung. Es wird also bei der Masernimpfung gleichzeitig immer auch gegen andere Krankheiten geimpft. Es gibt entweder die Dreifachimpfung "Mumps-Masern-Röteln" oder die Vierfachimpfung "Mumps-Masern-Röteln-Varizellen". Diese Impfpflicht gilt nicht nur für Kinder ab einem Jahr, sondern auch für ab 1970 geborene Erzieher/-innen in Kitas, für Lehrer, Tagesmütter und für Beschäftigte in medizinischen und sonstigen "Gemeinschaftseinrichtungen". Ist ein Kind nicht geimpft, darf es nicht in der Kita aufgenommen werden, anderenfalls droht der Kita-Leitung ein Bußgeld. Ist ein Kind schulpflichtig, kann es zwar wegen der allgemeinen Schulpflicht von dem Schulbesuch nicht ausgeschlossen werden, allerdings können Bußgelder bis zu 2.500,00 Euro gegen die Eltern verhängt werden, wenn sie der Impfpflicht für die Kinder nicht nachkommen. Die Schulen müssen solche Fälle an das örtliche Gesundheitsamt melden, das über das weitere Vorgehen entscheidet.

 

Gemeinsame elterliche Sorge

Der Bundesgerichtshof hat mittlerweile geklärt, dass die Entscheidung über Impfungen von erheblicher Bedeutung ist. Konsequenz ist, dass Eltern, sofern sie – wie bei unserer Mandantin - die gemeinsame elterliche Sorge haben, auch nur gemeinsam eine Entscheidung treffen können. Ist dies nicht möglich, überträgt das Familiengericht auf Antrag einem Elternteil die alleinige Entscheidungsbefugnis in dieser Frage unter Abwägung des Kindeswohls. Entscheidende Kriterien sind dabei die Empfehlungen der ständigen Impfkommission (STIKO) sowie natürlich auch die ab dem 01.03.2020 aufgrund des Masernschutzgesetzes geltende Rechtslage.

 

Elterliche Sorge

Aufgrund der geschilderten Rechtslage haben wir unverzüglich für unsere Mandantin einen Antrag bei dem zuständigen Familiengericht gestellt. Allerdings haben wir nicht nur beantragt, der Mutter die alleinige Entscheidungsbefugnis für die Durchführung der Masernimpfung zu übertragen; vielmehr haben wir beantragt, der Mutter die vollständige Gesundheitsfürsorge für Lisa als Teil der elterlichen Sorge zu übertragen. Denn der Kindesvater, der trotz klaren Gesetzeslage und der Tatsache, dass Lisa nicht den Kindergarten besuchen kann und ein Bußgeld droht,  ist offensichtlich nicht in der Lage, die Partner- von der Elternebene zu trennen und das Kindeswohl über eigene Interessen zu stellen. Eine im Kindeswohl liegende Entscheidung kann in diesem Fall grundsätzlich nicht gemeinsam getroffen werden.

 

Das Familiengericht schloss sich dieser Argumentation an, so dass Lisa mittlerweile geimpft wurde und ein stolzes Kindergartenkind ist; was will man mehr!

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