01. März 2015

Kann man mir wirklich mein Kind wegnehmen?“

Mami, Papi & Ich - Ausgabe März 2015

Artikel RA Matthias Amberg

Die Sache mit dem Jugendamt und der Kindeswohlgefährdung: Rechtsanwalt Amberg berichtet

„Wenn Sie sich nicht mit Ihrem Ex-Mann einigen,kommt das Kind ins Heim!“ Wegen dieser Aussage des Jugendamtes war meine Mandantin zu mir gekommen. Was war passiert? Meine Mandantin ist alleinerziehende Mutter des siebenjährigen Tom. Die Trennung von Toms Vater liegt schon einige Jahre zurück, und anfangs ging Tom gerne und regelmäßig zu seinem Vater. Seit einigen Monaten weigerte sich Tom jedoch vehement, am Wochenende zu seinem Vater zu gehen. Dies blieb nicht ohne Folgen: Der Vater warf der Mutter vor, Tom negativ zu beeinfl ussen; die Mutter ihrerseits war fest davon überzeugt, dass der Vater Tom schlecht behandelt und massiv unter Druck setzt. Hilfesuchend hatte sich die Mutter deshalb an das Jugendamt
gewandt, um eine Lösung zu fi nden. Bis dahin ein – leider – alltäglicher Fall aus der Praxis. Doch dann drohte das Jugendamt offen damit, der Mutter das Kind wegzunehmen. „Ich habe solch eine Angst, Herr Amberg! Kann man mir wirklich mein Kind wegnehmen?“

So sieht es rechtlich aus

Wenn man sich mit dem Thema Kindeswohlgefährdung beschäftigt, beschäftigt man sich auch automatisch mit der elterlichen Sorge und damit dem Erziehungsrecht der Eltern. Die Eltern und niemand anderes sind verpfl ichtet und berechtigt, für ihr minderjähriges Kind zu sorgen. Die Eltern bestimmen zum Beispiel über den Aufenthalt des Kindes, über den Schulbesuch, die religiöse Erziehung, die Gesundheitsfürsorge, die Geldanlage usw. Die Eltern üben das Sorgerecht in eigener Verantwortung aus. Ein Verzicht auf die Ausübung des Sorgerechtes ist nicht möglich, da es sich nicht nur um ein Recht, sondern auch um eine Pflicht handelt.

Über die Einhaltung dieser Pfl icht wacht die staatliche Gemeinschaft. Der Staat darf allerdings nur dann dieses Wächteramt ausüben, wenn dies aus Gründen des Kindeswohls unbedingt erforderlich ist. Wenn der Staat zu Unrecht sein Wächteramt ausübt, stellt dies einen Verstoß gegen das grundgesetzlich geschützte Elternrecht und damit gegen das Kindeswohl dar. Damit wird deutlich, dass der Kinderschutz auch immer Elternschutz bedeutet. Die Legaldefinition der Kindeswohlgefährdung setzt eine gegenwärtige Gefahr für die Bedürfnisse des Kindes voraus, die eine Schädigung des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussagen lässt. Eine Kindeswohlgefährdung, die das Jugendamt berechtigt, als Eingriff sbehörde tätig zu sein, liegt
daher nur in Ausnahmesituationen vor. Bei der Kindeswohlgefährdung bzw. bei der Reaktion auf Kindeswohlgefährdung sind die Grundsätze der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit streng zu beachten. Der staatliche Eingriff muss notwendig sein, er darf aber nur so gering, zurückhaltend und behutsam wie im Einzelfall nur möglich gehalten sein. Danach sind nur solche Maßnahmen zulässig, die zur Abwendung der Gefahr geeignet und mangels milderer Maßnahmen erforderlich sind.

Berücksichtigt man diese Grundsätze, wird schnell klar, dass die Drohung des Jugendamtes, der Mandantin das Kind „wegzunehmen“ rechtlich nicht einmal im Ansatz haltbar ist. Weiterhin wird einmal mehr deutlich, wie schwierig es off enbar für Mitarbeiter des Jugendamtes ist, mit der Doppelrolle des Jugendamtes klar zu kommen. Denn einerseits soll das Jugendamt die Eltern beraten und Hilfsangebote unterbreiten, andererseits ist das Jugendamt – und nur das Jugendamt – Eingriff sbehörde und kann Zwangsmaßnahmen veranlassen, die allerdings immer gerichtlich zu überprüfen sind. Unsere Mandantin hat hier freiwillig eine Beratungsstelle, nämlich das Jugendamt aufgesucht und um Unterstützung und Vermittlung in einem Umgangskonfl ikt
gebeten. Dass hier das freiwillige Beratungsangebot mit der Androhung einer Zwangsmaßnahme „versehen“ wurde, hat nur zu einem geführt: Das
Jugendamt hat eine Kundin weniger – und das ist in diesem Fall auch gut so.

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