29. November 2021

„Sag mal, Du als Anwalt...“- der Kindergarten und die Impfung

Mami, Papi & Ich

RA Amberg

„Kann das wirklich sein, wir haben doch einen Betreuungsvertrag!“ Das Wissen von Anwältinnen und Anwälten wird – egal bei welcher Gelegenheit -  gern angezapft. So ging es mir auch zuletzt beim Einkaufen, als mir eine bis dahin völlig unbekannte Frau in der Kassenschlange erzählte, dass der Kindergarten trotz abgeschlossenen Betreuungsvertrages sich weigerte, ihren 3 jährigen Sohn aufzunehmen. Grund dafür war, dass der Sohn nicht gegen Masern geimpft war. „Mein Sohn hat bestimmt Allergien, auch wenn der Kinderarzt dies trotz Testung nicht feststellen konnte; da lass ich ihn doch nicht impfen!“

 

Masernimpfpflicht

Das zum 01.03.2020 in Kraft getretene Masernschutzgesetz sieht unter anderem vor, dass Kinder, die in einem Kindergarten betreut werden, einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder eine Immunität gegen Masern aufweisen müssen, sofern sie nicht aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können.

 

Betreuungsverbot

Ohne Nachweis einer Masernschutzimpfung tritt in der Tat kraft Gesetzes ein Verbot ein, das ungeimpfte Kind  in einer Kindertagesstätte oder einer Kindertagespflege zu betreuen oder überhaupt aufzunehmen. Diese Gesetzeslage wurde mittlerweile auch vom Bundesverfassungsgericht bestätigt.  Das Gericht hat festgestellt. dass das Interesse der Eltern, ihre Kinder ohne Masernschutzimpfung in einer Gemeinschaftseinrichtung betreuen zu lassen,  gegenüber dem Interesse an der Abwehr infektionsbedingter Risiken für Leib und Leben einer Vielzahl von Personen zurücktreten muss.

 

Betreuungsvertrag

Das gesetzliche Betreuungsverbot ist höher zu bewerten als ein bereits abgeschlossener Betreuungsvertrag, wie vor kurzem das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschieden hat. Dabei hat das Gericht auch ein vorgelegtes ärztliches Attest, aus dem die Impfunverträglichkeit hervorgehen sollte, nicht gelten lassen. Denn es gab erhebliche Zweifel am Beweiswert des ärztlichen Zeugnisses. Das Zeugnis beruhte nämlich allein auf den Angaben der Eltern, ohne dass die angebliche Impfunverträglichkeit durch medizinisch anerkannte Testung bzw. Diagnostik festgestellt worden war.

 

Bei dieser Sach- und Rechtslage darf also ein Kindergarten das ungeimpfte Kind gar nicht aufnehmen. Daran ändert auch ein wirksam abgeschlossener Betreuungsvertrag nichts. All das konnte ich aber der mir völlig unbekannten Frau, die so nebenbei beim Einkaufen eine Rechtsberatung haben wollte, nicht sagen. Denn ich habe mich ja ausschließlich auf das Familien- und Erbrecht spezialisiert; die Frage nach dem Kindergartenbesuch ist aber leider reines Verwaltungsrecht.

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