21. März 2020

Umgang im „Corona-Modus“- mein Kind soll sich nicht anstecken! -

Rechtsanwalt Matthias Amberg

Die Corona-Epidemie hinterlässt mittlerweile in fast allen Lebensbereichen eine große Unsicherheit. In den letzten Tagen ist dies vor allem bei dem Thema Umgang spürbar. Kein Tag vergeht, an dem nicht zahlreiche Väter oder Mütter in unsere Kanzlei anrufen und berichten, dass sie entweder keinen Umgang mit ihrem Kind wahrnehmen oder gewähren wollen – man will ja sein Kind nicht gefährden.

Umgangsberechtigter Elternteil lehnt Umgang ab

Der Umgang mit seinem Kind ist nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht des nicht betreuenden Elternteils. Allerdings muss der Umgang immer im Kindeswohlinteresse sein. Lehnt ein Elternteil es ab, mit seinem Kind Kontakt zu haben, bestehen berechtigte Zweifel daran, ob in diesem Fall ein erzwungener Umgang wirklich im Interesse des Kindes wäre. Sollte daher der umgangsberechtigte Elternteil unter dem Stichwort „Corona“ zu Recht oder zu Unrecht Umgangstermine absagen, ist das Ergebnis immer das Gleiche: ein Umgang findet nicht statt. Befindet sich zum Beispiel der Elternteil in Quarantäne, würde er sich sogar strafbar machen, wenn er Umgang ausübt. Kommt der Umgangsberechtigte aus einem Risikogebiet und begibt sich nach den klaren Empfehlungen des RKI in freiwilliger Quarantäne, ist es ebenfalls im Kindeswohlinteresse, wenn der Umgang verschoben wird. Schiebt der Elternteil allerdings das Thema „Corona“ nur vor, weil er keine Lust auf Umgang hat, macht es grundsätzlich keinen Sinn, ihn zu zwingen, Zeit mit seinem Kind zu verbringen; dieser erzwungene Umgang wäre sicherlich nicht im Kindeswohlinteresse.

Betreuender Elternteil verweigert Umgang

Gibt der betreuende Elternteil das Kind nicht heraus, weil es sich beim anderen Elternteil mit Corona anstecken könnte, sind verschiedene Fallkonstellationen zu unterscheiden.

Quarantäne

Befindet sich der umgangsberechtigte Elternteil oder der betreuende Elternteil zusammen mit dem Kind in einer vom Gesundheitsamt angeordneten Quarantäne, besteht natürlich das Recht, den Umgang zu verweigern. Beide Elternteile würden sich sogar strafbar machen, wenn sie in diesem Fall mit dritten Personen Kontakt hätten und diese gefährden würden.

Ausgangsbeschränkungen

Die in manchen Bundesländern bereits bestehenden Ausgangsbeschränkungen bzw. Ausgangssperren führen nicht zu einem Umgangsausschluss. Vielmehr ist insoweit ausdrücklich geregelt, dass Fahrten zum Zwecke des Umgangs erlaubt sind. Mit diesem Argument kann also Umgang nicht verwehrt werden.

Allgemeine Ansteckungsgefahr

Richtig ist, dass die Kinder nicht zu ihren Großeltern gebracht werden sollen und aktuell sogar die allgemeine Schulpflicht aufgehoben ist. Dies führt allerdings nicht dazu, dass Umgänge einfach ausgesetzt werden dürfen. Die Empfehlung des RKI , die Kinder aktuell nicht von den Großeltern betreuen zu lassen, dient dem Schutz der Großeltern, die ab einem gewissen Alter zu der Risikogruppe von potentiell an Corona Erkrankten gehören, bei denen die Erkrankung einen schweren Verlauf nehmen oder sogar tödlich enden kann. Die „Vorverlegung der Osterferien“ dient dazu, eine schnelle und massenhafte Ausdehnung der Infizierten zu verlangsamen. Weder die eine noch die andere Begründung kann dazu dienen, dass Umgang dem anderen Elternteil verweigert wird.

Gerichtliche Verfahren

Hält sich einer der Beteiligten nicht an die Regeln, war es bisher aufgrund des in Kindschaftssachen geltenden Beschleunigungsgrundsatzes möglich, schnell einen Termin bei dem zuständigen Familiengericht zu erhalten. Allerdings haben mittlerweile auch die Familiengerichte zahlreiche Verhandlungstermine aus nachvollziehbaren Gründen wegen der Corona-Epidemie verschoben. Es gibt aber die Möglichkeit, in sogenannten Eilverfahren auch ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn ansonsten eine Kindeswohlgefährdung besteht. Ansonsten ist auch noch einmal zu betonen, dass die Corona Situation zwar auch an der Justiz nicht spurlos vorbeigeht, aber unser Rechtssystem bestehend aus Gerichten und Anwälten natürlich weiterhin handlungsfähig ist. Es ist sicherlich einerseits unser aller Aufgabe, Ansteckungsrisiken zu vermeiden; anderseits finden in Kindschaftssachen ohnehin keine öffentlichen Verhandlungen mit Zuschauern statt, so dass gerade im Familienrecht weiterhin regelmäßig auch in den aktuellen Zeiten Gerichtstermine stattfinden. Es lohnt sich also genau hinzuschauen, ob bei Streit über den Umgang wirklich immer das Kindeswohl in dem Vordergrund steht oder die Corona-Pandemie genutzt wird, um „alte Rechnungen“ mit seinem Ex-Partner zu begleichen. Klar sollte allerdings immer sein, dass auch nach der Trennung grundsätzlich das minderjährige Kind beide Elternteile als wichtige Bezugspersonen braucht. Gerade in der aktuellen Situationen sind Kinder oft schon genug belastet und teilweise sogar verängstigt; umso wichtiger ist es, dass beide Eltern – auch wenn sie getrennt oder geschieden sind – sich ihrer Verantwortung gegenüber ihren Kindern bewusst bleiben.